Kapitel 3 – Rentensystem mit Kilowattstunden
Einstieg und Narrativ
Im Jahr 2022 skizzierte ich auf meiner Webseite eine alternative Rentenreform: einen Teil der Altersvorsorge nicht in Geld, sondern in Kilowattstunden auszuzahlen – und so Altersvorsorge mit Klimaschutz und Energiewende zu verknüpfen.
Merksatz: Wer Energie sichert, sichert Zukunft – auch im Alter.
Renten-Narrativ entwickeln
Es ist an der Zeit, ein positives Altersvorsorge-Narrativ zu erschließen – eines, welches das bestehende Rentensystem nicht grundsätzlich infrage stellt, aber eine fundamental neue Perspektive auf unsere künftige Altersvorsorge eröffnet.
Narrative prägen Reformspielräume
Kulturelle Erzählungen bestimmen politische Handlungsmöglichkeiten. Wer ein neues Altersvorsorge-Narrativ schafft, verändert die Art, wie wir über Zukunft, Arbeit und Gerechtigkeit denken. Es geht nicht nur um Geld, sondern um Sicherheit und Teilhabe im Wandel.
Grundbedürfnis Energie
Energie ist ein Grundbedürfnis. Es sollte im Gemeinwohl-Interesse liegen, dass jeder Mensch ausreichend und sicher mit Energie versorgt wird – und dass diese Energie auch bezahlbar ist.
Das deutsche Rentensystem wird sich aufgrund des demographischen Wandels in den nächsten Jahrzehnten sehr großen Herausforderungen stellen müssen.
Ebenso werden die Herausforderungen der Klimaerwärmung erhebliche Transformationen im Energiesystem – ob bei Strom, Wärme oder Mobilität – notwendig machen.
Merksatz: Klimaschutz und Altersvorsorge sind jeweils die eine Seite einer Münze – auf der anderen Seite steht vielleicht eine Antwort auf dieselbe Zukunftsfrage.
Es sieht bereits heute so aus, dass es mit den herkömmlichen Methoden nicht möglich sein wird, Rentenerhöhungen und Kostensteigerungen in einem ausgewogenen Verhältnis korrespondieren zu lassen.
Dysbalance im Umlagesystem
Wenn Rentensteigerungen mit der Preisentwicklung nicht mehr Schritt halten, entsteht ein wachsender Zielkonflikt zwischen Lebensstandard im Alter und volkswirtschaftlicher Tragfähigkeit. Klassische Stellschrauben greifen zu kurz – neue Konzepte müssen Verteilungsziele mit realwirtschaftlicher Resilienz verbinden.
Systematische Rentenproblematik
Das gängige Rentennarrativ wird von Experten seit Jahren in einem Dreiklang wiederholt:
1. Renteneintrittsalter auf 68 oder 70 Jahre anheben oder dynamisch an die Lebenserwartung koppeln.
2. Beiträge der sozialversicherungspflichtig Arbeitenden erhöhen.
3. Rentenleistungen kürzen, insbesondere die Zahlbeträge.
Satire: Später in Rente gehen, länger schuften, möglichst nicht zu lange leben – so klingt moderne Sozialpolitik im libertären Kontext.
Der angebliche Sachzwang-Dreiklang ist kein zuverlässig belastbares Konzept, sondern ein unzuverlässiges Hirngespinst – denn der demografische Wandel lässt sich im bisherigen Umlagesystem nicht nachhaltig abbilden.
Zusätzlich gibt es weitere Vorschläge, die Einzahlungsbasis durch weitere Gruppen zu erweitern. Zu bedenken gibt es aber auch hier: Wer einzahlt, hat auch Rechte und Ansprüche.
1. Anpassung der Rentenformel – insbesondere des Rentenwerts.
2. Modifizierung von Leistungen wie Witwenrenten, Rehabilitationsmaßnahmen oder besonderen Rentenzeiten.
3. Beamte, Selbständige und Abgeordnete sollen künftig gesetzlich pflichtversichert werden.
4. Die Beitragsbemessungsgrenze wird den Notwendigkeiten angepasst.
5. Andere Einkunftsarten – z. B. Kapitalerträge oder Mieten – werden in die Bemessungsgrundlagen integriert.
6. Unternehmen zahlen eine „Ausgleichsabgabe“, wenn das Verhältnis von Steuerlast und Gewinn zur Zahl der Beschäftigten eine gewisse Grenze unterschreitet.
Insbesondere der letzte Punkt könnte an Bedeutung gewinnen, wenn immer mehr Unternehmen im Zuge der Digitalisierung mit immer weniger Arbeitenden auskommen – die Gewinne steigen, die Arbeitskosten sinken, die Sozialversicherungsbeiträge auch.
Eine Diskussion über diese Thematik gibt es bereits seit den 1970er Jahren. Damals wie heute tauchen Begriffe auf wie Wertschöpfungsabgabe, Maschinensteuer oder Robotersteuer.
Als besondere Errungenschaft wird aus bestimmten politischen Kreisen erklärt, dass Renten künftig unbedingt durch den Kapitalmarkt in Form von Aktien oder ETF (Exchange Traded Funds) stabilisiert werden müssen.
Satire: Wenn der Kapitalmarkt das Problem ist, dann ist er sicher auch die Lösung? Vielleicht sollten wir bereits heute Altersarmutszertifikate handeln – als neuen stetigen Wachstumsmarkt. Armut wird es schließlich auch in Zukunft reichlich geben, solange der virtuell kryptische Kapitalmarkt sich weiter loslösen kann vom real existierenden Gütermarkt.
Aber Sie wissen ja: Wenn’s schiefgeht, haben die Märkte versagt – und die Gesellschaft gleich mit. Nur nicht die Experten.
Offensichtlich wird nun erkannt, dass das derzeitige Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Renteneintritt der Babyboomer an seine finanziellen Grenzen stößt.
Merksatz: Die Fragestellungen, die der demografische Wandel bedingt, sind keine Überraschung – sondern ein politisches Versäumnis mit Ansage.
Babyboomer – die plötzliche Erscheinung
Die „Babyboomer-Krise“ kam scheinbar unerwartet? Konnte doch niemand damit rechnen, dass die in den 1960er und 1970er Jahren Geborenen tatsächlich das Rentenalter erreichen.
Satire: Trotz aller Bemühungen um schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Volkskrankheiten und Pandemie ist die Lebenserwartung weiterhin im Steigflug. Ein echter Affront gegen die Planungssicherheit im Finanzministerium.
Der spektakuläre medizinische Fortschritt sorgte dafür, dass der Mensch statistisch älter wird – trotz seiner „Verfehlungen“. Dafür kann man nun auch länger über die Krankenversicherungen schimpfen ...
Satire: Immerhin kann man sich heute länger aufregen – dank Herzmedikamenten, Hüftprothesen und einer stabilen Empörungskurve im Wartezimmer. Und da ist ja auch noch die Pflegeversicherung … Nun hegt der heutige Rentner oder Rentenanwärter die Erwartung, seine durch Arbeitnehmertätigkeit erworbenen Ansprüche, die abstrakt in Form von Entgeltpunkten dem Rentenkonto zugeordnet werden, auch bis zum tatsächlichen Lebensende ausgezahlt zu bekommen. Jahrzehntelang hat man der arbeitenden Bevölkerung die Wurst und den Tofu-Bratling vor die Nase gehalten – und schwupp, wird man von der Politik mit Leistungskürzungen im Alter bestraft.
Rentenversicherung als Durchlaufposten
Deutschland trifft keine Vorsorge in den Sozialversicherungssystemen durch Sparen und Vermögensaufbau. Die Sozialversicherung ist derzeit eher nur ein Durchleitungs- und Verteilungszentrum.
Umlageprinzip ohne Rücklage
Das deutsche Rentensystem basiert auf laufenden Einnahmen, nicht auf Vermögensbildung. Es funktioniert, solange genug Menschen einzahlen – aber bei schrumpfender Erwerbsbevölkerung und steigender Lebenserwartung gerät das System unter Druck. Das macht neue Denkansätze unausweichlich.
Rentenreform – aber wie?
Deutschland hat im Jahr 1957 und im Jahr 1992 große Rentenreformen durchgeführt. Und wir haben heute keine andere Geschichte zu erzählen, als dass wir tatsächlich bis 68 oder 70 arbeiten müssen?
Satire: Alternativlos sei das, sagen Experten, weil wir immer älter werden. Und weil das System sonst „nicht finanzierbar“ ist – ein Totschlagargument, das bei Rentnerinnen und Rentnern wohl zum „Das-steht-dir-nicht-zu-schlechte-Gewissen-Syndrom“ führen soll.
Es ist notwendig, eine nachhaltige Rentenreform im Sinne von sozial wirksam, ökologisch sinnstiftend und wirtschaftlich machbar durchzuführen. Den Begriff der Nachhaltigkeit habe ich in meinem Buch „Nachhaltige Marktwirtschaft – Grundlagen für eine Theorie der Nachhaltigkeit“ ausführlich beschrieben.
Nachhaltigkeit als Systemdimension
Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Ressourcenschonung – sie meint auch soziale Langfristigkeit, strukturelle Gerechtigkeit über Generationen und wirtschaftliche Stabilität. Eine Rentenreform ist dann nachhaltig, wenn sie diese drei Aspekte berücksichtigt.
Welche Notwendigkeiten der Lebenshaltung sind auch im Alter unabdingbar? Selbstverständlich: Energie. Ob Strom, Wärme oder Mobilität – ein erheblicher Anteil der Renten wird für Energiekosten benötigt. Durch Inflation, den Ukrainekrieg, Energieabhängigkeiten und andere Faktoren wird deutlich, dass es notwendig wird, bestimmte Lebenshaltungskosten als Gemeingut zu definieren.
Merksatz: Wenn Energieversorgung ein Teilelement von Menschenwürde ist, darf sie keine Altersarmutsfalle werden.
Wenn wir die Gemeinwohlorientierung als Grundlage für zwingend notwendige Grundbedürfnisse anerkennen, dann wird deutlich:
Renten sollten in der Zukunft nicht mehr nur in Form von Geld ausgezahlt werden.
Wer die aktuellen politischen Debatten verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, in parallelen Realitäten zu leben. Täglich prasseln Meldungen auf uns ein – echte Informationen, Halbwahrheiten und Fake News vermischen sich so, dass es immer schwerer fällt,
Wahrheit von Lüge zu unterscheiden.
...
Energie ist ein Grundbedürfnis – und vielleicht ein kluges Rentenversprechen von morgen.
Was wir heute unter Altersvorsorge verstehen, basiert auf Entgeltpunkten, Kapitalmarktlogik und der Hoffnung auf ewiges Wachstum. Doch die Realität ändert sich: Arbeitszeiten sinken, das untere Lohnsegment bleibt schwach, Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt,
die Lebenserwartung steigt – und die Stromrechnung wird zum unkalkulierbaren Faktor im Ruhestand.
Ist es da wirklich abwegig, einen Teil der Rente in Kilowattstunden auszuzahlen?
Wer das für unrealistisch hält, nur weil es noch nicht diskutiert wurde, kann zusehen, wie Rentenansprüche schmelzen –
wie die Gletscher in den Bergen.
Eine andere Art der Rentenreform wird mit konkreten Lösungsvorschlägen in meinem Buch präsentiert.