Emissionshandel & Zertifikate – der Markt für Treibhausgase
Emissionshandel: Grundidee
Der Emissionshandel ist eines der zentralen Instrumente der internationalen Klimapolitik.
Die Grundidee klingt einfach: Wer Treibhausgase ausstößt, benötigt dafür ein Zertifikat. Unternehmen benötigen Emissionszertifikate (Carbon Credits, VERs, CERs) für jede ausgestoßene Tonne CO₂. Die Gesamtmenge der Zertifikate wird von staatlicher oder supranationaler Seite begrenzt. Auf diese Weise sollen Emissionen einen Preis erhalten und die Wirtschaft einen Anreiz bekommen, Emissionen zu vermeiden oder zu reduzieren und Investitionen in klimafreundliche Technologien durchzuführen.
EU-ETS & nationale Ergänzungen
Das bekannteste System ist das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS). Es umfasst große Industrieanlagen, Energiewirtschaft und seit 2024 auch den Luftverkehr innerhalb Europas. Zertifikate werden versteigert oder zugeteilt, mit langfristigem Ziel einer schrittweisen Emissionsreduktion.
Ergänzend gibt es nationale Systeme – zum Beispiel preisbasierte CO₂-Abgaben nach dem deutschen Brennstoffemissions-handelsgesetz (BEHG). Hier zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher beim Tanken oder Heizen einen CO₂-Preis, der über Zertifikate abgerechnet wird. Die Einnahmen fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), der eigentlich Klimaschutzmaßnahmen finanzieren soll.
Varianten des Zertifikatehandels, Zertifikatmärkte & freiwillige Kompensation
Über die Jahre haben sich zusätzlich zum EU-ETS weitere unterschiedliche Varianten des Zertifikatehandels entwickelt – und die Finanzwelt hat neue Modelle geschaffen, die teils stark an klassische Finanzprodukte erinnern:
- Primärzertifikate: von Staaten oder der EU ausgegebene Emissionsrechte, die auf Märkten gehandelt werden.
- Sekundärhandel: Weiterverkauf dieser Rechte zwischen Unternehmen, oft über Börsen oder spezialisierte Händler.
- Carbon Credits (Emissionsgutschriften) wie VERs (Voluntary Emission Reductions) oder CERs (Certified Emission Reductions) dienen freiwilliger Kompensation oder Quotenhandeln in ausgewählten Märkten.
- Kompensationszertifikate: Klimaneutralität erfolgt durch CO₂-Ausgleich, z. B. durch Aufforstung, Waldschutz oder Klimaschutzprojekte.
- Private Freikäufe: Immer häufiger können auch Privatpersonen Zertifikate oder Kompensationen erwerben – sei es als Zuschlag beim Fliegen, beim Online-Shopping oder durch „Baum-Pflanz-Zertifikate“. Damit wird individuelles Konsumverhalten symbolisch klimaneutral gestellt.
- Eigene Emissionsgutschriften: Umweltfreundliches Verhalten (z. B. emissionsfreies Fahren, eigene Produktion) führt zum Erhalt anrechenbarer Gutschriften, teils sogar handelbar. Beispiel: THG-Quote im Verkehrssektor.
THG-Quote & Elektromobilität
Die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) ist ein deutsches Klimaschutzinstrument im Verkehrssektor, das im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) verankert ist. Seit 2022 können Halter batterieelektrischer Fahrzeuge ihre durch Elektromobilität eingesparten CO₂-Emissionen zur Erfüllung der THG-Quote verkaufen.
THG-Quote – gesetzliche Grundlage
Die Treibhausgasminderungsquote ist im § 37a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verankert. Die Umsetzung – z. B. Anrechnung von Elektroautostrom oder grünen Kraftstoffen – erfolgt durch die 38. BImSchV, die die technischen und administrativen Details regelt.
Die Prämien liegen laut ADAC 2025 im Bereich von ca. 80 – 100 € pro Jahr. In der Praxis bedeutet das: Die THG-Prämie ist eine Möglichkeit, durch E-Mobilität aktiv zur CO₂-Reduktion beizutragen und zugleich wirtschaftlich zu profitieren.
Unternehmens-Kompensation & CSR-Berichte
Unternehmen können beispielsweise Waldflächen erwerben oder Schutzprojekte fördern, um sich „klimaneutral“ zu nennen. In CSR-Berichten (Corporate Sustainability Reporting = Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung) wird dies in der Bilanz kommuniziert. Produkte tragen oft ein „klimaneutral“-Label, obwohl Emissionen meist nur über Gutschriften ausgeglichen werden.
Kritische Aspekte
- Fluktuierende Preise für die Zertifikate und mangelnde Planungssicherheit erschweren Investitionen.
- Transparenzdefizit:
Viele Kompensationsprojekte sind schwer nachprüfbar – etwa Aufforstungen oder Waldschutz, die nicht dauerhaft wirken. - Unternehmen und Konsumenten tendieren dazu, sich symbolisch freizukaufen statt Emissionen zu vermeiden.
- Doppelzählungen oder fragwürdige Gutschriften („Carbon junk credits“) untergraben die Glaubwürdigkeit.
Fazit
Emissionshandel, freiwillige Kompensation und THG-Quote bieten steuerbare Mechanismen zur Klimapolitik. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch maßgeblich von Transparenz, Wirksamkeit, Anrechenbarkeit und der echten Nutzung der Mittel für nachhaltige Transformation ab – statt nur für Bilanzkosmetik oder Marketing.
Glossar: Emissionshandel & Zertifikate
• EU-ETS = European Union Emissions Trading System = Europäisches Emissionshandelssystem für Industrie, Energie und Luftverkehr.
• BEHG = Brennstoffemissionshandelsgesetz = deutsches Gesetz zur CO₂-Bepreisung von Brenn- und Kraftstoffen.
• KTF = Klima- und Transformationsfonds = staatlicher Fonds zur Finanzierung von Klimaschutz- und Transformationsmaßnahmen.
• Carbon Credits = Emissionsgutschriften = handelbare Einheiten für vermiedene oder reduzierte CO₂-Emissionen.
• VERs = Voluntary Emission Reductions = Freiwillige Kompensation mit verifizierten Emissionsreduktionen.
• CERs = Certified Emission Reductions = Zertifizierte Emissionsreduktionen nach dem Kyoto-Protokoll (z. B. für Unternehmen, Kommunen, Privatpersonen).
• Primärzertifikate = erstmalig von Staaten oder EU ausgegebene Emissionsrechte.
• Sekundärhandel = Weiterverkauf bereits ausgegebener Emissionsrechte, z. B. über Börsen.
• Kompensationszertifikate = Zertifikate, die Emissionen an anderer Stelle ausgleichen (z. B. Aufforstung, Klimaschutzprojekte).
• CSR = Corporate Sustainability Reporting = Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung, z. B. über Klimaneutralität.
• THG-Quote = Treibhausgasminderungsquote = gesetzliche Quote zur Reduktion von Treibhausgasen im Verkehrssektor; E-Auto-Halter können eingesparte Emissionen verkaufen.
• Carbon Junk Credits = minderwertige oder fragwürdige Emissionsgutschriften ohne reale Klimawirkung.
(„Likely Junk“, The Guardian: Laut Analyse investierten Unternehmen in CO2-Kompensationen, die "wahrscheinlicher Müll" waren. https://www.theguardian.com/environment/article/2024/may/30/corporate-carbon-offsets-credits?)
• Carbon offset, Carbonbrief: Mehr Begriffe zum carbon offset (Kohlenstoffausgleich) siehe
https://interactive.carbonbrief.org/carbon-offsets-2023/glossary.html
Überleitung zu meiner Satire zum Zertifikatehandel
Wer die nüchterne Logik des Emissionshandels verstanden hat, erkennt schnell auch seine Absurditäten:
Geld fließt im Kreis, Zertifikate wandern von Hand zu Hand, und am Ende bleibt oft Symbolik statt Wirksamkeit. Diese paradoxe Bewegung habe ich in meiner Satire „Perpetuum certificatorum“ beschrieben –
das endlose Karussell aus Zertifikaten, Bußgeldern und Finanzalchemie.
Dietmar Helmer, veröffentlicht am 03.09.2025